Oops – da habe ich wohl einen Fehler gemacht!
Kennst du das Gefühl, ab und zu Fehler zu machen? Wenn nicht, dann könnte das tatsächlich auf ein besonderes Problem hinweisen. Aber welches? Das wirst du im dritten Teil erfahren.
Heute nehmen wir uns Zeit, um über Fehler zu sprechen. Wir werden entdecken, welch erstaunliches Potenzial in ihnen steckt – vorausgesetzt, wir gehen auf die richtige Art und Weise damit um. Dabei werfen wir einen Blick auf die Politik 😎, schauen auf einen blutigen Fall in unserer Werkstatt 🩸 und machen auch noch einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit.
Bedeutung der Fehlerpolitik und Fehlerkultur im Unternehmen
Oftmals betonen wir stolz, dass wir eine offene Fehlerpolitik haben! Doch Moment, Politik und Offenheit? Das klingt zunächst paradox (bitte nicht missverstehen). Politik bezieht sich auf die Gestaltung, Organisation und Regelung von Gemeinschaften, Gesellschaften oder Staaten. Im Unternehmenskontext sollte die Unternehmenspolitik den Handlungsrahmen festlegen.
Aber hier kommt die Klarstellung: Wir haben eine offene Fehlerkultur! Ah, das geht schon eher in die richtige Richtung – das ergibt Sinn, oder? 😊 Werfen wir einen genaueren Blick auf die beiden entscheidenden Elemente im Umgang mit Fehlern in einem Unternehmen.
Die Fehlerpolitik betrifft die formalen Regeln, Richtlinien und Verfahren, die ein Unternehmen festlegt, um mit Fehlern und Fehlverhalten umzugehen. Sie legt fest, wie Fehler erkannt, gemeldet, untersucht und behoben werden sollen. Eine sorgfältig ausgearbeitete Fehlerpolitik kann sicherstellen, dass Mitarbeiter wissen, wie sie mit Fehlern umgehen sollen, ohne Angst vor Sanktionen zu haben – vorausgesetzt, sie machen ihre Fehler transparent und lernen daraus.
Die Fehlerkultur hingegen beschreibt die informellen Normen, Werte und Einstellungen eines Unternehmens gegenüber Fehlern und deren Umgang. Eine positive Fehlerkultur ermutigt Mitarbeiter, offen über Fehler zu sprechen, aus ihnen zu lernen und Verbesserungen voranzutreiben. In einer solchen Kultur wird das Lernen aus Fehlern als wertvoll angesehen, um Arbeitsprozesse zu optimieren und langfristig die Qualität und Effizienz zu steigern. Wir dürfen uns also vor, hinter und neben diejenigen stellen, die Fehler, Störungen und Probleme offen ansprechen: „Danke für das Feedback.“
Der entscheidende Unterschied zwischen Fehlerpolitik und Fehlerkultur besteht darin, dass die Fehlerpolitik die formale und organisatorische Ebene betrifft, während die Fehlerkultur die informelle, soziale Ebene betrifft. Beide Aspekte sind jedoch eng miteinander verbunden und sollten sich gegenseitig unterstützen.
Wie Peter Drucker einst formulierte: "Culture eats Strategy for Breakfast." Übertragen auf unser Thema bedeutet dies, dass selbst die beste strategische Ausrichtung scheitern wird, wenn die Unternehmenspolitik, einschließlich der Fehlerpolitik, nicht authentisch gelebt und integraler Bestandteil der Unternehmenskultur ist.
Insgesamt sind Politik und Kultur in einem Unternehmen eng miteinander verknüpft. Die Politik beeinflusst die Struktur und die formalen Regeln, während die Kultur die informellen Normen und Werte prägt. Eine gesunde Fehlerkultur kann beispielsweise durch eine sorgfältig konzipierte Fehlerpolitik gefördert werden, die Transparenz und das Lernen aus Fehlern unterstützt. Damit schaffen wir die Grundlage für eine positive und produktive Fehlerkultur in unserem Unternehmen.
Nicht der Fehler ist das Problem, sondern die Fehlerkette
Diesen Satz habe ich aus einem Vortrag über Fehlerkultur in der Luftfahrt geborgt 😉. In dieser Branche sind Fehler von besonderer Tragweite. Dieser Satz unterstreicht die Bedeutung einer positiven Fehlerkultur und stammt von einem Piloten, der es sich zu eigen gemacht hat, vor jedem Flug seine Crew zu instruieren und klarzumachen, dass auch er nicht frei von Fehlern ist und er von jedem erwartet, dass jeder Fehler offen angesprochen wird. Eine Fehlerkultur, wie Sie in streng hierarchisch organisierten Teams nicht selbstverständlich ist. Je früher ein Fehler erkannt wird, desto besser. Daher ist es für uns entscheidend, dass jedes Teammitglied den Mut hat, Fehler anzusprechen, unabhängig von seiner Funktion und Position. Frühes Erkennen von Fehlern ermöglicht uns, Katastrophen zu verhindern.
In unserem Unternehmen mögen Fehler nicht die gleiche Dramatik wie in der Luftfahrt haben, aber sie sind dennoch ärgerlich, kosten Geld, Zeit und Nerven. Auch jeder Betriebsunfall, jede Pflasterentnahme wird dokumentiert und strukturiert (8D) abgearbeitet, um ähnliche Unfälle zukünftig zu vermeiden 🩹.
Und 2019 haben wir tatsächlich einen solchen Fall. Bei der Endmontage eines Sonderschaltschrank-Gehäuses schneidet sich ein Auszubildender heftig einen Finger auf 🩸. Beim Anziehen einer Schraube rutscht er mit dem Schraubenschlüssel ab und schneidet sich an der scharfkantigen Montageplatte. Zwei Tage später wird das Sonderwerkzeug (Bild) zur speziellen Montage präsentiert💪.
Warum? Weil jeder Unfall dokumentiert wird. Wäre dies nicht Teil der Fehlerpolitik hätte sich der Auszubildende womöglich für den Fehler geschämt und ihn nicht erwähnt. Weil das Problem jedoch am nächsten Tag ein Thema der täglichen Shopfloor-Runde ist, wird sofort ein Problemlöseprozess (PLP) gestartet. 30 Minuten später, im KVP-Zeitfenster wird das Problem am Shopfloor besichtigt und mit den beteiligten Kollegen besprochen. Der Facharbeiter in der Montage, Alfred hat eine Idee 💡 und alle sind sich einig: „Einfach mal machen, schnell, gut, günstig. Wir testen das. Zu verlieren haben wir nichts.“ Wie gesagt, seit über zwei Jahren arbeiten wir mit diesem selbst entwickelten und gefertigten Werkzeug unfallfrei in der Montageabteilung.
Bei FiMAB sind unsere Prozesse zur Produktprüfung und der Umgang mit Fehlern im Managementhandbuch präzise beschrieben (Fehlerpolitik). Es beginnt mit der Werker-Selbstkontrolle, bei der die Kolleginnen und Kollegen anhand der Dokumentation selbst die Maße überprüfen, die während des jeweiligen Produktionsschrittes entstanden sind 🔎. Für komplexere Produkte haben wir eine Bereichs-Abschnittskontrolle und eine Produkt-Endkontrolle, bei denen andere die Zwischenergebnisse in der Produktentstehung überprüfen.
Jeder entdeckte Fehler wird in einer App digital erfasst 📱. Das ist ein zentraler Bestandteil unserer Fehlerkultur. Jede Person ist ein Teil unseres kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP), und niemand zögert, einen Fehler zu dokumentieren – egal, ob es sich um einen Fehler handelt, den sie selbst gemacht hat oder dieser weiter vorne im Entstehungsprozess entstanden ist. In dieser App werden nicht nur Fehler, sondern auch Störungen beschrieben. Diese schnelle, unkomplizierte und strukturierte Fehler- und Stördokumentation hat eine hohe Akzeptanz in unserem Unternehmen gefunden. Sie macht nicht nur Fehlerhäufungen für alle sichtbar, sondern auch die daraus resultierenden Maßnahmen und deren Wirkung.
Die besten Fehler sind diejenigen, die von den Werkern selbst entdeckt werden 💪. Denn das geschieht zum frühestmöglichen Zeitpunkt und zeigt auch auf, dass das jeweilige Prüfverfahren gut funktioniert. Doch es ist auch gut, wenn bei der Bereichs-Abschnittskontrolle oder in einem nachfolgenden Prozess ein Fehler aufgedeckt wird. Wir nennen das "Fehlerschlupf". Diese Erkenntnis ist ebenfalls wertvoll, denn mit jedem weiteren Produktionsschritt steigen die Kosten der Fehlerkorrektur. Besonders wichtig ist es bei Schaltschrankgehäusen, Fehler direkt nach der Blechtechnik oder der Schweißtechnik zu entdecken. Ist das Gehäuse erst einmal pulverbeschichtet, wird die Fehlerkorrektur erheblich aufwendiger. Am ungünstigsten ist es, wenn der Kunde den Fehler entdeckt ☹, denn das führt zu Kundenreklamationen – und das möchten wir vermeiden.
Für jede dieser Entwicklungsstufen, sei es die Werker-Selbstkontrolle, die Bereichs-Abschnittskontrolle, der Fehlerschlupf oder die Produkt-Endkontrolle, haben wir definierte Kennzahlen und Ziele. Und wie ihr bereits erahnt, ist unser Ziel, möglichst wenige Kundenreklamationen zu haben.
Neben der Fehlererkennung ist auch das Beseitigen von Fehlerquellen von großer Bedeutung. Mit der zuvor erwähnten App erkennen wir Fehlerhäufungen in Echtzeit sowie Fehlerschwerpunkte. Daraufhin initiieren wir nachhaltige Problemlösungsprozesse (PLP). Diese Prozesse starten immer mit umfassenden Recherchen an der Basis der Fehlerentstehung und gehen weiter mit der Suche nach Lösungen, um den Fehler konsequent und dauerhaft zu beheben. Die darauffolgenden Maßnahmen zur Beseitigung der Fehler- beziehungsweise Störquellen werden auch in der App dokumentiert, und idealerweise zeigt die App die positive Auswirkung der Maßnahmen in der zugehörigen Visualisierung.
Je früher wir Fehler in der Produktentstehung aufspüren, desto geringer sind die Kosten, die dadurch entstehen. Daher ist es für uns von größter Bedeutung, Fehler möglichst früh zu erkennen und zu korrigieren. Ein Kollege in der Endmontage brachte es vor einigen Jahren schon treffend auf den Punkt: "Scheiße kann ich nicht polieren." 😆
Denn gerade bei der Fertigung individueller Produkte in kleinen Losgrößen ist es wichtig die Fehlerquellen zu beseitigen und die Produktionsprozesse ständig zu optimieren. Alle Produkte werden in sehr kurzen Lieferzeiten zum Moment des Liefertages mit einer Pull-Strategie produzierte. Jede Störung, jeder Fehler, jede Form der Nacharbeit führt dabei zu unkomfortablen Situationen.
An dieser Stelle kann ich euch die Software newdriveanalytics.de, welche uns mit unserer Fehlerpolitik hervorragend unterstützt, sehr empfehlen.
Was wir von Philosophen über den Umgang mit Fehler lernen können
Viele von uns sind mit dem Zitat von Seneca vertraut: "Irren ist menschlich." Doch der zweite Teil dieses Zitats, der mir bis vor kurzem unbekannt war, verleiht ihm erst seine wahre Bedeutung: "Aber auf einen Fehler zu bestehen, das ist teuflisch." In dieser Aussage liegt der wahre Wert eines Fehlers. Es bedeutet, einen Fehler zu erkennen, dazu zu stehen, aber nicht darauf zu beharren. Stattdessen sollten wir daran arbeiten, diesen Fehler nicht mehr zu wiederholen. Konfuzius wird oft als Meister dieser Denkweise betrachtet, da er Fehler nicht zweimal machte. Von ihm stammt auch das inspirierende Zitat: "Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten."
Eine positive Fehlerkultur in Organisationen kann durch ein weiteres Zitat von Konfuzius beschrieben werden: "Jemand entdeckt einen Fehler bei mir. Welch ein Glück." In einer solchen Fehlerkultur geht es nicht nur darum, die eigenen Fehler selbstkritisch zu betrachten, sondern auch darum, die Fehler anderer zu erkennen, darauf hinzuweisen und die Prozesse zur Fehlervermeidung kontinuierlich zu verbessern. Hierbei ist es entscheidend, nicht in persönlichen Vorwürfen zu versinken, sondern sich vollkommen auf die Sache, die Aufgabe oder die Prozesse zu konzentrieren.
Seneca liefert uns auch hier einen wertvollen Gedanken: "Wir sind alle Insassen desselben Krankenhauses, und niemand sollte sich als Oberarzt aufspielen." Wenn wir uns bewusst sind, dass jeder von uns Fehler macht und bereits Fehler gemacht hat, und dass wir dadurch mehr oder weniger Erfahrungen gesammelt haben, sollten wir niemanden für seine Fehler verurteilen. Stattdessen sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass wir alle fehlbare Menschen sind. Deshalb sollten wir uns selbst und anderen die Fehler verzeihen können, indem wir sagen: "Ja, er hat einen Fehler gemacht, aber ich habe auch schon tausende gemacht."
Fehler machen keinen Spaß – aber sie machen besser!
Eine positive Fehlerkultur bedeutet, dass wir uns selbst und anderen die Möglichkeit geben, offen über Fehler zu sprechen. Dies dient nicht nur dazu, konstruktive Lösungen zur Fehlerbehebung zu finden, sondern auch sicherzustellen, dass diese Fehler nicht wiederholt werden. Auf diese Weise entsteht ein Umfeld des kontinuierlichen Lernens und der stetigen Verbesserung, das in jedem Familienunternehmen von unschätzbarem Wert ist. Denn darin liegt der Schlüssel zur Förderung von Innovation und Wachstum – im Mut, aus Fehlern zu lernen und einander dabei zu unterstützen, sie zu vermeiden.